Don´t Block the Flöte, Program notes (Langversion Deutsch korrigiert 2021-10-06    ) (short English Versions below)

Don´t Block the Flöte (2021) Karl F. Gerber (*1954) ca. neun Minuten

 

zweiter Satz, für Altblockflötenautomat und Querflöte

 

In der Geschichte der elektronischen Musik war eine Zeitlang das Zuspielband beliebt: im Studio produzierte Klänge konnten – auch ver-räumlicht- in den Konzertsaal gebracht werden.

 

Ich hatte diese “Tapes“ vermieden, doch durch die gebotene Unmittelbarkeit und Präsenz der akustischen Musikautomaten ergeben sich andere Möglichkeiten. Solange die Maschine nicht „interaktiv“ reagiert (Computermusik ohne Lautsprecher) biete ich dafür den Begriff „Zuspielband ohne Lautsprecher“ an.

 

Nach Automaten mit Saiteninstrumenten habe ich erstmals ein Blasinstrument automatisiert: die „moderne Altblockflöte“ von Mollenhauer. Sie bietet ein perfektes Obertonverhalten. Von bekannten „Flötenrobotern“ weiche ich ab in mehrfacher Weise: die Finger können kontinuierliche Abstände vom Griffloch einnehmen für mikrotonale „Griffe“. Gängigen Klangskulpturen mit Zugmagneten (Solenoids) ist das verwehrt. Das Labium kann -ebenfalls bei kontinuierlich veränderlichem Abstand- abgedeckt werden. Als weitere Möglichkeit, die menschlichen Spieler versagt sein sollte kann ich das Ton-Gas der Blas-Luft schrittweise durch Helium ersetzen und dessen höhere Schallgeschwindigkeit klanglich nutzen. Der technische Aufbau ist transparent und leichtgewichtig. Damit möchte ich in Touristen -Koffern wie in der Vergangenheit Flug-Reisen zu Konzerten unternehmen, und Kosten für Sperrgut vermeiden.

 

Als Automat ohne „Eigenleben“ kann diese kinetische Klangskulptur nicht als Roboter im engeren Sinn bezeichnet werden – der Sprachgebrauch ist aber dabei sich zu wandeln.

  

Die kompositorische Vorarbeit geschieht parallel zu Bau des Apparats. Experimentell wird das akustische Verhalten der einzelnen Komponenten erforscht. High-Tech ist kaum vertreten, sondern pragmatisches Probieren, Analysieren und Aufzeichnen. Zu nennen sind Anblasdruck (nach Literaturstellen 50 bis 500 Pascal von Radialgebläse), Druck-Vibrato von Mini-Kompressor (Grenzwert 1 Bar) und Blasdruckmodulation, durch verschlossenen Basslausprecher: die Frequenz analog durch LFO Signal (bis über 20Hz) und analoges VCA Signal (Eigenentwicklung mit Chips ICL8038 bzw.AS3360). Schließlich habe ich noch das Helium nutzbar gemacht, es soll durch Magnetventile gesteuert werden. Der Anblasdruck liegt wiederum weit unter 1Bar. Die Druckmessung erfolgt durch Digitalmanometer bzw. Flaschen-Druckminderer. Am Ende entscheidet das Gehör. Weiterer Parameter sind die Überlappung der „Lippe“ beim Anblasen über den Wind-Kanal und Position bzw. Anpressdruck der Finger.

Die Grifflöcher solcher Blockflöten sind oft „unterschnitten“, d.h. führen nicht senkrecht in das Mittel-Rohr, dies stellt eine weitere Herausforderung dar. 

 Nach gemeinsamer Charakterisierung von Tonhöhen und Dynamik (Palette) wurde durch Formelimprovisation durch Speichern von MIDI-Daten eine Materialsammlung erstellt. Diese musikalischen Patterns werden dann in einem Sequenzer-Programm grafisch komponiert (arrangiert). Dort wird punktuell die Querflöten-Stimme dazu notiert. Die Blockflötenstimme dieser digitalen Partitur kann nun auf der Maschine abgespielt und als Tonspur (oder Video) zur Übe-zwecken festgehalten werden.

 

Die Solistin der Uraufführung Karina Erhard hat das Projekt seit den Anfängen der Entwicklung über Monate begleitet und wichtige Anregungen geliefert. Damit bereitet sie sich auf die Herausforderungen diese keineswegs üblichen performativen Setups meistern.

 Karina Erhard spielt hier den zweiten Satz aus der Komposition „Don´t Block the Flöte“.

 Eine Ge(r)mischte (deutsche-englische) Anspielung auf die Besetzung Querflöte und mechatronische akustische (Alt)Blockflöte, englische Verballhornungen wäre „Recorder without the Tape o.ä.“,

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Version for International Computer Music Conference ICMC Limerick 2022

 

Don't Block the Flöte, for Flute and Alto Recorder Automaton
Karl F. Gerber, Karina Erhard


The computer-controlled automaton experimentally plays an alto recorder. It offers fingerings
with variably opened tone holes. Likewise, the labium can be covered steplessly. The blowing
pressure is influenced by various measures and vibrato up to a flutter tongue is created. At the
premiere, a further glissando was achieved by controlled admixture of helium gas!
When composing, the sound of the instrument is first evaluated with control data. In this way 19
controller tracks are created. Finally, the selected patterns are composed into a MIDI score. For
the machine, this is the music to be performed.
The flute part is largely improvised, but prepared on the basis of an orienting play-along score.
This is generated graphically from the audio co-playing tape using Melodyne and contains
playing instructions for the flute.
The video shows a montage of footage from performances and close-ups, with the audio
recording of the premiere, including Helium.

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Version for New York City Electronic Music Festival 2023 NYCEMF

 

Karl F. Gerber, Don´t Block the Flöte, for Tárogató and Alto Recorder Automaton


I have now automated a wind instrument: the "modern alto recorder" by Mollenhauer. The fingers can take
infinitely variable distances to the finger hole for microtonal "fingerings". As a further possibility (which
should be denied to human players), I can gradually replace the blowing medium air with harmless helium
and use its higher velocity of sound sonically. The pressure vibrato of the mini compressor and the blowing
pressure modulation by a sealed subwoofer bass speaker are worth mentioning. Finally, I made the
helium usable, it is dosed via solenoid valves. Other parameters are the compression of the "lip" when
blowing on the mouthpiece and the position of the fingers. This is electronic music as composed
algorithmically, though the sound are not generated via loudspeakers. Still sounding experimentally "electronic".
The tárogató voice is somewhat improvised based on analysis to the playalong "tape". Thus the machine
present on video. Ms Lamneck is my preferred virtuoso here.